Berlinale XV-XVII …Tränen, Drogen und eine Gala, die keine war

Was war denn daran nun “Special” oder “Gala”… egal, das Kind braucht einen Namen. So gala wie die gleichnamige Zeitschrift. “The best offer” als letzter Film des Tages bekam nicht mal eine Anmoderation, geschweige denn war irgendjemand von der Team-Seite anwesend. Doch der Film enttäuschte noch auf anderer Ebene (siehe weiter unten). Eins nach dem anderen. Der Tag fing nämlich GLORIOS an:

 

The Broken Circle Breakdown – Ein Film der mit dem Song “Will the circle be unbroken” anfängt kann nicht schlecht sein. So hofft man in den ersten 5Minuten. Dass man womöglich das persönliche emotionale Epizentrum der diesjährigen Berlinale erreicht hat weiß man 115 Minuten später. Didier und Elise lernen sich zufällig kennen. Er liebt und spielt Bluegrass-Musik in einer Band, sie besitzt ein Tattoo-Studio. Ein ungleiches Paar, doch die Chemie stimmt von Anfang an. Er macht sie mit der von ihm geliebten Musik und ihren Hintergründen bekannt. Bald darauf steht sie mit auf der Bühne. Bald darauf ist ein Kind unterwegs.

The Broken Circle Breakdown
Veerle Baetens, Johan Heldenbergh in The Broken Circle Breakdown

Nach kurzem Schock ist für Didier klar: das von ihm zu renovierende Bauernhaus bekommt ein Kinderzimmer. Sie fügt ihren dutzenden Tattoos eines mit seinem Namen hinzu (wobei sie zugibt, dass viele ihrer alten Tattoos einstmals anderen Lovern galten – übermalen könne man sie ja immer). Die Story dreht im Folgenden Didier und Elise ganz schön durch die emotionale Mühle, doch Halt gibt ihnen immer wieder die Musik. So wie sie es schon -so lernt Elise von Didier- für die Siedler in den Appalachen vor Jahrhunderten tat.

Kein Musikfilm im klassischen Sinne. Songs und Konzert-Ausschnitte sind in die Wendungen der Story verwoben. Am traurigen Ende dieses wunderbaren Dramas denkt man, jetzt kann eigentlich nichts mehr kommen. Doch dann landet der Film einen allerletzten emotionalen Kinnhaken. Im Dunkeln des Kinos weint es sich zum Glück diskret. Schon vorher waren unverholene Schneuzer und Schluchzer im Publikum zu vernehmen. Es sind Filme wie genau dieser, weswegen man über 20mal in 9Tagen das Licht an- und ausgehen lässt. Filme mit großem Herz und Verstand. Und man fragt sich: warum ist so etwas eigentlich nicht im Wettbewerb ? Ach so, der ist ja mit wohlfeiler Konsumkritik und überambitionierten Epen beschäftigt.

Narco Cultura – South of the border, down Mexico-way… ist nichts in Ordnung. Juarez, nur 5 Autominuten von El Paso gelegen verzeichnete im Jahr der Dreharbeiten rund 3000 (zumeist Drogen-Kartell bezogene) Morde. El Paso in Texas insgesamt …3. In erschütternder Weise zeigt Regisseur Shaul Schwarz, wie sehr diese Drogen-Szene und noch mehr ihre Bosse mittlerweile zur Popkultur gehören: TV-Serien, Corridos (sozusagen das mexikanische Äquivalent zu Gangster-Rap, gefühlvoll im Walzertakt gesungen) heroisieren die Täter eher statt sie zu stigmatisieren. Eine unfassbare Schere, die sich da mitten in einer Gesellschaft auftut. Die Polizei absolut überfordert. Die Protagonisten der Verwertungs-Kultur absolut unkritisch, wedeln in Youtube Videos mit Waffen herum. (Und wir machen uns hier Sorgen wegen eines Dschungelcamps..) Man kommt eigentlich aus dem Kopfschütteln nicht mehr raus. Bemerkenswert bei allem Dokumentarismus: die Kameraführung und Bildeinrichtung ist zeitweilig so gefeilt und stilisiert, dass man zweifelt einen Dokumentarfilm zu sehen.

The best offer – War ich sehr hinterher gewesen. Regie: Giuseppe Tornatore (Cinema Paradiso!), Geoffrey Rush, Donald Sutherland… wie soll das schief gehen ? Die meiste Zeit fühlte ich mich auch gut unterhalten. Eine abgefeimte Story schien sich da zu entspinnen: Weltbekannter und manirierter Auktionator Victor Oldman (Geoffrey Rush) zweigt einige der von ihm zu versteigernden Bilder über einen Scheinbieter ab. Dem somit nicht ganz astreinen Oldman (bitte, Signore Tornatore, sagen sie, dass dies kein Wortspiel sein sollte) drängt die sich absolut abgeschieden gebende Claire auf. Sie möchte die Kunstsammlung ihrer verstorbenen Eltern versteigern. Das Interesse des viel umworbenen Maestros ist geweckt. Nicht zuletzt, weil er in ihrer herunter gekommenen Villa immer wieder Einzelteile eines legendären Automaten aus der Renaissance findet. Nachdem es ihm endlich auch noch gelingt, ein Auge auf Claire zu werfen, keimen vergessen geglaubte Gefühle in Oldman auf.

Die Story hat alles, was ein Klasse Film bräuchte. Doch ich kann mich nicht entscheiden: wurde hier zu viel am Skript herumgedoktort – oder bei weitem nicht genug ? Nach 2h10min sind immer noch so einige Plot-Löcher ungeschlossen. Außerdem sollen wir so einige Ungereimtheiten schlucken. (Wiener Autokennzeichen, deutsch beschriftete Schilder, makelloses Englisch sprechende Neben-Charaktere und einige nicht nachvollziehbare Ortswechsel waren da nur Kleinigkeiten). Ach ja.

Und sonst?
Langsam aber sicher beginnen einige Zuschauer Manierismen zu nerven. Jacken über Stühle, wo nahezu jede Vorstellung nahezu ausverkauft wird. Man entblödet sich regelmäßig mit der Frage , ob noch frei ist. Unangebrachte, äh, Speisen. Es ist wohl kein Zufall, dass der sonst als Hauptzweck dienende Popcorn-Verkauf nicht statt findet. Dienstag abend musste ich wegen Knisterei mitgebrachter Pistazien fast noch laut werden. Als ich mich Sonntag (? ..die Tage fliegen vorbei) neben eine Frau setzte, die aus Tupperware einen undefinierbaren Cous Cous Salat löffelte, kam es mir fast wieder hoch.

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