Mit den besten Absichten gestartet, erlebte ich heute Schiffbruch. Ein verpasster Film und ein halb verschlafener. Immerhin war das verbliebene sehr sehenswert.
Yocho [Foreboding] (Japan, Regie: Kiyoshi Kurosawa)
Die Arbeiterin Etsuko merkt es ganz allmählich, fast unmerklich. Die Menschen in ihrem Umfeld verändern sich. Es beginnt damit, dass eine ihrer Kolleginnen -wie sich später heraus stellt- das Konzept “Vater” verloren oder vergessen hat – und nun Panikschübe bekommt, wenn sie nach Hause zu ihm geht.
Doch auch Etsukos Mann Tatsuo ist nicht mehr ganz derselbe. Nicht nur, als Etsuko ihm bei der Einlieferung ihrer Kollegin bei seiner Arbeit als Krankenpfleger begegnet.
Was Etsuko nicht ahnt: Ein Außerirdischer in Menschengestalt hat Tatsuo als “Guide” angeheuert, um sich mit menschlichen Verhaltensweisen vertraut zu machen. Dabei stielt dieser unheimliche Fremde seinen von Tatsuo ausegewählten Opfern durch einfache Berührung bestimmte Gefühle und Vorstellungen, die diese dann für immer verlieren.
Bald gibt es immer mehr Menschen mit diesen geistigen Lücken. Nur Etsuko kann diesem Alien in Menschengestalt offenbar widerstehen. Gibt es noch mehrere wie ihn? Und steht etwas noch viel schlimmeres bevor ? Als Regierungsbehörden endlich eingreifen und Etsuko einspannen wollen, scheint es bereits zu spät zu sein.
Man mag den Film für konventionell konstruiert halten. Stimmt, die Dramaturgie, die Filme wie Don Siegels “Die Dämonischen” oder John Carpenters “They live!” haben, hat halt gewisse, ähnliche Plotpoints.
Umso bemerkenswerter, dass sich Kiyoshi Kurosawa hier sehr effektiv um Reduktion statt um Schockeffekte bemüht, darauf vertraut, dass das was wir ahnen viel beängstigender ist als das was wir sehen. Beklemmung ist die Stimmung die der nicht gerade kurze Film erzeugt und hält.
Nebenbei gesagt, darf man die Story durchaus auch als Parabel auf Entfremdung in modernen Gesellschaften sehen.
Regisseur Kurosawa gab im anschließenden Interview zu, dass er zwar kein Fan von SciFi sei, er sich aber durchaus in Genres probiert, die er noch gar nicht bedient hat. Hut ab.
Zwischendurch dann mein Fail: Die Anfangszeit falsch gelesen, musste ich einen “Les Faux Tatouages” sausen lassen. Einziger Trost: Es gab noch ein Ticket für den Film zwei Tage später – und der Preis war (Sektion Generation) mit 4€ verschmerzbar. Sowas passiert mir zum Glück nur alle paar Jahre einmal.
Yardie (Großbritannien, Regie: Idris Elba)
Dennis, genannt D. ist noch ein Kind im Jamaika der späten 7oer. Er schaut zum einzigen Familienmitglied das ihm verblieb, seinem Bruder Jerry wie zu einem Vater auf. Jerry versucht als DJ und Party-Veranstalter Frieden zu stiften inmitten der Gang-Wars, die zu jener Zeit in Jamaika toben. Just als er zwei Gang-Bosse zur Versöhung auf der Bühne holt, fallen Schüsse. D. kann den ebenfalls jugendlichen Täter zwar noch erkennen, doch für Jerry kommt jede Hilfe zu spät.
Einige Jahre später ist D. unter den Fittichen des Musikproduzenten (und aufstrebenden Drogenhändlers) King Fox, der ihn unter seine Fittiche genommen hat. D. avanciert vom Laufburschen zum Drogenkurier. Seine angetraute Jugendliebe hat sich mitsamt Kind allerdings aus Sicherheitsgründen nach London aufgemacht.
Als der Hitzkopf D., der immer noch den Tod seines Brudes rächen will, dabei King Fox in dessen Geschäfte pfuscht, schickt der ihn mit 1kg Koks – nach London. Dort soll er mit anderen Jamaikanern einen Vertrieb aufbauen.
Im London der Thatcher-80er warten nicht nur weitere Gefahren auf ihn – dort führt die Story ihn auch auf Umwegen einem Trio von Burschen, die als DJs und MCs mit ihrem Sound-System (im Reggae/Dancehall synonym für Band) weitaus besser sind denn als paddelige Kleinkriminelle.
“I hope you like Reggae Music!” ruft Idris Elba im Interview vor Beginn der Vorstellung ins Publikum. Elba, vor allem bekannt als Inspektor Luther aus der gleichnamigen britischen Fernsehserie, beweist in seinem Regiedebüt ein erstaunlich sicheres Händchen. Und wenn es heisst, dass Casting die halbe Miete sein kann, so hatte er zudem dabei auch Glück. Die Hauptakteure agieren überzeugend und dynamisch, wenn auch manchmal auf dem Grat zur Charge.
Doch soviel Kredit wollen wir Elba geben: Im anschliessenden Interview betonte Elba, es sei ihm sehr wichtig gewesen, das Zeitkolorit richtig rüber zu bringen. Schliesslich wuchs er selbst im gezeigten Stadtteil Hackney auf – und die Figur Darkers’, eines der Möchtegern-DJs, merkt er schmunzelnd an…so jemand sei er damals gewesen.
Wenn auch manches etwas räuberpistolenhaft daher kommt und man durchaus die zweifelhafte Moral dieser am Ende nochmal versöhnlich daher kommenden Rachegeschichte kritisch beäugen kann – wer ein nachgereichtes, spannendes Dokument dieser Zeit sucht: hier ist es.
Khook (Iran, Regie: Mani Haghighi)
Der Moderator erwähnte vor der Vorstellung, er hätte seinem Kollegen von der Tontechnik empfohlen noch nicht nach Hause zu gehen. Denn mit diesem Spätfilm stünde mal eine echte Komödie an …aus dem Iran! Und zitierte den Regisseur mit den Worten “Worüber man nicht lachen kann, das kann man auch nicht ernst nehmen.” Notiz am Rande: Die launige Anmoderation auf deutsch endete dann mit den Worten: “und jetzt auf Englisch: enjoy the movie!” Großes Gelächter.
Das stellte sich auch tatsächlich bald im Film ein. Wir sehen den egomanischen Regisseur Hasan Kasmai auf einer Vernissage. Nachdem Hasan vor Missgunst ein Glas zerdrückt hat (“Ich habe 2Liter Blut verloren”) schmollt er bald darauf vor der Tür. “Da drinnen wartet ein Idiot auf ein Interview mit dir” “Welcher? Da drin wimmelt es von Idioten”. Was sehr gut den weiteren Humor des Filmes wieder gibt.
Kasmai, der seit zwei Jahren de facto mit Berufsverbot belegt ist, ringt um seine geliebte Hauptdarstellerin Shiva. Die hat alllerdings das Warten satt – und gerade ein Angebot beim von Hasan verhassten Regie-Rivalen Saidi bekommen.
Mit allerlei Irrwitz versucht Hasan, sich mit absurden Werbefilmen über Wasser zu halten und ein Abwandern seines Stars Shiva zu verhindern. Zudem kann er nicht ertragen, dass eine gerade laufende Mordserie unter Teherans Regisseuren ihn noch nicht getroffen hat. Auch wenn das bedeutet, dass er wie die anderen Opfer geköpft werden wird: Schließlich ist er doch der größte lebende iranische Künstler!
Als seine bizarren Narreteien ihn bald darauf zum Hauptverdächtigen machen, ist gerade mal die Hälfte des Filmes erreicht…
Eine objektive Bewertung des Filmes kann ich leider doch nicht abgeben. Da ich eine eigene goldene Regel gebrochen hatte und zwischen den letzten beiden Filmen mehr als einen Snack aß, übermannte mich der Schlaf gefühlt zwischen Hälfte bis kurz vor -sarkastischem-Schluss. Auch, wenn ich durch lautes Lachen des Publikums immer wieder geweckt wurde.
Ein soweit ich beurteilen konnte, äh, saukomischer Film, der es schafft als Farce über den iranischen Filmbetrieb und die dauer-angespannte Situtation für Künstler zu parodieren.