Es gibt Tickets im Vorverkauf, die -so fühlt es sich an- muss man einfach haben. Und es gibt Buchungen, bei denen man sich später fragt: Wie konnte ich so falsch liegen?
Un año, una noche (Spanien, Frankreich; Regie:
Wir begegnen dem jungen Paar Ramón und Celine in Notfall-Folien eingehüllt nachts beim nach Hause stolpern. Es ist der 13.11.2015, Paris erlebt in dieser Nacht an 8 Orten terroristischen Angriffe – der im Konzertsaal Bataclan, in dem die Beiden ein Konzert besuchten, wird zum Massaker.
Ramon und Céline haben grundverschiedene Strategien, das Trauma des infernalischen Abends im Bataclan zu verarbeiten. Während er versucht, sich zu erinnern, zu notieren und sich zumindest im Freundeskreis mitzuteilen, zieht Céline -sie habe ja kaum etwas gesehen- es vor, der Tragödie keinen Raum zu geben und zum Alltag über zu gehen.
Sie scheint die geerdeter von Beiden, bestellt gleich am nächsten Morgen online Lebensmittel – man wisse ja nie. Während Ramón es sich leistet vor sich hin zu leben – um kurz darauf das erste Mal zusammen zu brechen. Es wird eine Serie von Panikattacken.
Überhaupt, so kristallisiert sich nach und nach heraus, wird tendenziell die Last in dieser ansonsten liebevollen Partnerschaft eher von Celine getragen. So ist es auch sie, die Ramón dann endlich zum Aufsuchen einer Psychotherapeutin überredet. So wie Ramón und Celines Beziehung ihre Sollbruchstellen hat, so durchbricht der Film die Narrative ihrer Post-Trauma-Zeit mit dosierten Rückblenden und Flashbacks – von der Geschichte ihres Kennenlernens als auch von den Schockmomenten des Attentats.
Dass dem Erfolg des Paares nicht ganz zu trauen ist und sich Schuldgefühle mit Verlust vermischten, wird erst im letzten Akt der Handlung offenbar. Wir erkennen spät etwas, dass sich einer der Beiden nicht eingestanden hat. Ein so später Plot Reveal des ansonsten lobenswerten und differenzierten Scripts ist schon grenzwertig. Doch schlüssiger ist das Ausmaß der Verdrängung von einem der Beiden wohl nicht darstellbar.
Der Kreis schließt sich am Jahrestag des Anschlages, an dem Überlebende an den Ort zu einem Konzert zurück kehren. Wir erleben ein Wiedersehen, das uns befremdet und doch bewegt.
Regisseur Isaki Lacuesta nähert sich der fast unmöglichen Aufgabe, nämlich die Verarbeitung von Unfassbarem fühlbar zu machen.
Er findet stimmige, so manches Mal faszinierende Kamera-Perspektiven. Das Tempo ist genau richtig gewählt, die Zahl und Position der notwendigen Rückblenden gut gewählt.
Somit kann man man sogar “lügende” Sequenzen in den Rückblenden verzeihen – den letzten Endes ist es ein konsequentes Beispiel, wie unsere Psyche die Verarbeitung von Erinnerungen gestaltet. Und wie tief sie dabei geht.
A Little Love Package (Österreich, Argentinien; Regie Gastón Solnicki)
Etikettenschwindel in der Beschreibung auf der Berlinale Webseite… ” [..] klassische Komödie, [..] lebhafte, fragmentarische Geschichte, ..”
Fragmentarisch, ok. Bereits in der Montage der ersten Minuten überkommt mich das Gefühl: Ist das einer von diesen Filmen? Oh, oh. Vor einigen Jahren hatte ich mit Guy Maddin’s “Forbidden Room” einen ähnlichen Griff getan – doch der war immerhin erzählerisch rauschhaft orgiastisch. Den Plot dieses Films erratisch zu nennen wäre noch ein Kompliment. Wenn dies ein Rätsel sein soll: Wer will die Antwort überhaupt wissen?
Es widerstrebt mir geradezu, hier die Handlung wieder zu geben. Der Film macht sich doch auch einen schlaken Fuß… Carmen und Angeliki (ein Warnsignal, wenn Hauptfiguren anlasslos so heißen wie ihre Darsteller) streifen durch Wien. Die eine (Innenarchitektin, das muss man aber erst in der Filmbeschreibung lesen) zeigt der anderen mögliche Wohnungen.
Immer stimmt irgendwas nicht. Mit der jetzigen gibt es auch Probleme. Familienverhältnisse, Anlass, Motivation …so gut wie alles bleibt furchtbar nebulös.
Dann sind wir mal in einer Salzwüste, für Schuhe wird Maß genommen, dann geht es um Klavierstunden, irgendwann durchstreift ein Neben-Akteur einen dunklen Keller, in dem er Pralinenschachteln findet. Welche später Angeliki in einem Ferrari …ach lassen wir das.
Zu meiner Erklärung: ich habe nichts gegen Lücken und Fragmente. Michael Hanekes “Code Incunnu” ? Jederzeit gerne. Doch bei diesem Paket braucht keiner die Liebe zu suchen.
Heroji radničke klase | Working Class Heroes (Serbien, Regie
)Auf dieser Baustelle läuft nichts so wie es soll. Zu Beginn des Films sehen wir eine seinerzeit verlassene Rohbau-Stelle quasi urwaldartig überwuchert. Die eingeschworene Truppe hallodri-artiger Nicht-Facharbeiter der windigen Baufirma wird erstmal angewiesen, den Wildwuchs für den morgigen Pressetermin zu beseitigen. Und: morgen bitte mit Arbeitskleidung und Helm – danach bitte wieder zurück geben.
Dies geordnete Chaos versucht die resolute, abgefeimte Lidija zu beherrschen – die rechte Hand des skrupellosen Bauunternehmers. Wo Lidija hier und da noch sichtbare Gewissensbisse drücken, ist es der Big Boss der das alles an Skrupellosigkeit noch in den Schatten stellt.
Jungen Eltern eine noch gar nicht genehmigte Wohnung verkaufen ? Himmelschreiende Arbeitsunfälle vertuschen …alles kein Problem für das Duo, weder moralisch noch finanziell. Dafür wartet die bunte Horde von Arbeitern, welche praktischerweise in Baucontainern haust auf ausbleibenden Lohn. Viel trennt diese Armseligen nicht mehr von Leibeigenen, gesoffen wird sowieso und einer der Betrüblichen schreitet irgendwann im Wahn zur Selbstverstümmelung.
Ohne diese Bande stünde es auch schlecht für den Laden: Ein Joint Venture mit einer deutschen Firma steht an – und da darf nichts den Ruf schädigen.
In der Nacht vor der Unterzeichnung kommt es jedoch zu einem weiteren Unfall. Quälend lange taktieren Vorarbeiter und aufmuckender Senior-Kollege (im besten Alter ist keiner der vom Leben gezeichneten mehr), ob der Bewusstlose noch zu retten ist …beziehungsweise wie man es nicht doch vertuschen könnte.
Lidija und später der Boss treffen ein und in einem Anfall kommt eine Schusswaffe ins Spiel…
Bemerkenswert ist Jasna Đuričić‘ Darstellung einer in die Jahre kommenden Geschäftsfrau. Wie sie Lidijas innere Konflikte darstellt erzeugt noch bleibenderen Eindruck als die bizarre Baustellen-Story.
Zugegeben, keiner von uns wird etwas über Verhältnisse im serbischen Bauwesen sagen können. Doch etwas weniger Drastik und Derbheit hätte es vielleicht sein können, das Regisseur
Bis auf einen tonnenschweren Einfall im Schlussbild.