Stimmung: immer noch Appetit auf Bilder, doch etwas gelassener – ab und zu werden sich auch schon mal die Augen gerieben…
Hab ja schon viele Peter Greenaway Filme gesehen, doch im Vorverkauf war dies Ticket ein Muss, denn: tatsächlich mein erster Greenaway im Kino:
Mittags in “Eisenstein in Guanajuato“
In den frühen 30er Jahren macht sich der legendäre Stummfilm Regisseur (er hat ähnlich wie D.W.Griffith ganz früh die Möglichkeiten der Bildsprache erkannt und definiert) nach Mexiko auf. Mit amerikanischem Geld soll und will er sein Gastland durch ein Revolutions-Epos ehren. Statt Motiven und Ideen fand er jedoch: seinen ersten Sex.
Der Dozent Cañedo, eine Mischung aus smartem Reiseführer und Bodygard, (ver-)führt ihn in die Verlockung des gleichgeschlechtlichen Verkehrs.
So will es jedenfalls diese Story. Laut Greenaway ist jedoch einigermaßen verbürgt, dass Eisenstein bis über 30 Jungfrau war.
Von Anfang des Filmes an läuft da halt die Greenaway-Maschinerie auf Hochtouren: ausgetüftelte Hin-und-Her Kamerafahrten, tableauartiger artifizieller Bildaufbau, ausgefeilte, überkandidelte Dialoge etc. pp… Na und ? Wenn ich Greenaway sehe, möchte ich Greenaway sehen. Eher schon gewöhnungsbedurftig: Elmer Bäck, der in einer Parforce-Darstellung den Eisenstein als Mischung aus Charismatiker, Lebe- und Hampelmann gibt. Gewagt, doch unterhaltsam. Wie der gesamte Film.
Während seines Besuches hat Eisenstein offenbar alles mögliche gemacht – außer einen Film zu vollenden. Die aber-Kilometer an Film, die belichtet wurden sind niemals ansatzweise verarbeitet worden…
Nachmittags in “Corbo“
Wieder was gelernt: in 60er Jahren herrschten in der kanadischen Provinz Quebec Benachteiligungen für die frankophone Mehrheit vor. Die Unfähigkeit von politischen Ansätzen ließen separatistische als auch revolutionäre Bewegungen aufkommen.
Dass der Regisseur berichten kann, dass die Familie des “echten” Jean Corbo mit dem Film sehr einverstanden war, tut gut. Was dem Film gut getan hätte, wären ein klein wenig mehr Tempo.
Alle Bedenken, ob gegen Ende eines langen Filmtages 120min Mandarin mit Untertiteln nicht zu ermüdend sind, werden innerhalb Minuten buchstäblich von der Leinwand gefegt.
Abends in “Ji bu zhi yao“
Shanghai der 1920er Jahre. In den Wirren nach dem Ende der Monarchie wird Ma Zouri, ehemals höfischer Berater, zum Spin doctor und Hochstapler, zum Einflüsterer der High Society. Kein Anliegen, dass er nicht gedreht bekommt, kein Ding das ihm zu krumm ist. Als ein machtversessenes Mitglied des (Geld-)Adels ihn anstiftet einen gigantischen Schönheits-Wettbewerb auszurichten, setzt nicht nur Ma Zouris Überheblichkeit eine Kette von Ereignissen in Gang, die er nicht mehr in der Hand hat…sondern alle Hände voll zu tun, seine eigne Haut zu retten. Fahrlässige Todesfälle, Bestechlichkeit, Intrigen…heimliche Liebe.
Hier gibt es alles, darf alles: Anachronismen, Surrealismus, Übertreibung bis in den Wahn. Farce als Unterhaltungsform. Im Englischen sagt man “everything but the kitchen sink”. Passend. Sorry, wenn ich das so direkt vergleiche, doch optisch und stilistisch erinnert das durchaus an Baz Luhrmann (“Moulin Rouge”). Was ja nicht schlecht sein muss. Unser Publikum -und ich mittendrin- fühlte sich sehr gut unterhalten, wenn visuell bombardiert und nicht immer ernst genommen.